Welterbe barrierefrei: Einzigartige Stätten in Deutschland gemeinsam entdecken

Jahrhundertelang war das jüdisch-mittelalterliche Erbe Erfurts fast vergessen. Erst in den 1980er Jahren begann seine Wiederentdeckung. Damals suchte die Historikerin Rosita Peterseim in historischen Quellen und alten Bauakten nach einer mittelalterlichen Synagoge. Unter abenteuerlichen Umständen entdeckte sie tatsächlich die Türgewände der Synagoge und einen Teil einer Fensterrose. Dazu musste sie durch das Fenster der Herrentoilette eines Gasthauses in einen Gang steigen und über einen Dachboden klettern. Das Gotteshaus war nach dem Pogrom von 1349, bei dem die jüdische Gemeinde ausgelöscht worden war, im Laufe der Jahrhunderte überbaut worden und diente als Lager und Gasthaus.

Heute gilt die Alte Synagoge im Herzen der Stadt als die älteste bis zum Dach erhaltene Synagoge Mitteleuropas. Teile der Westfassade stammen aus dem 11. Seit 2023 gehört das Gebäude zum UNESCO-Welterbe. Als barrierefreies Museum erzählt es die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Erfurt. Höhepunkt der Dauerausstellung ist der Erfurter Schatz, bestehend aus einem jüdischen Ehering, Silberbarren, Silbermünzen und Schmuck, der erst 1998 bei Bauarbeiten entdeckt wurde. Ein Tipp ist die öffentliche Führung für Rollstuhlfahrer, die samstags und sonntags um 10.15 Uhr beginnt. Für Sehbehinderte gibt es einen Audioguide. Menschen mit Hörbehinderungen können sich für Führungen mit FM-Anlage anmelden.

Zum Welterbe gehören auch eine Mikwe, ein rituelles Tauchbad aus dem 12. Jahrhundert, und das Steinerne Haus, ein jüdisches Wohnhaus aus dem 12. bis 13. Jahrhundert. Die mittelalterliche Mikwe, die das Prädikat "Reisen für Alle" erhielt, kann nur im Rahmen einer Führung besichtigt werden. Diese Führungen sind auch für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, kognitiven Beeinträchtigungen sowie Seh- und Hörbehinderungen geeignet.

Quer durch das heutige Süddeutschland verlief vor fast 2000 Jahren die Außengrenze des Römischen Reiches, 550 Kilometer lang und klar definiert durch einen Grenzwall mit Kastellen, Wachtürmen, Mauern und Holzpalisaden: der Obergermanisch-Raetische Limes. Die meisten Bauten sind seit dem Mittelalter verschwunden, doch was von dem antiken Megaprojekt noch in der Landschaft zu sehen ist, ist heute das größte Bodendenkmal Europas - und seit 2005 UNESCO-Welterbe. Ein Teil der Grenzbefestigung verlief durch das heutige Fränkische Seenland südlich von Nürnberg in Bayern. In den Orten Weißenburg und Ruffenhofen wird die Geschichte der römischen Besatzung in begehbaren Museen lebendig erzählt.

Wie lebten die Soldaten am Limes? Wie sah der Alltag ihrer Familien im Lagerdorf aus? Welchen kulturellen Austausch gab es zwischen Römern und Germanen? Davon erzählt das Römermuseum in Weißenburg. Hier ist auch der 1979 zufällig entdeckte Sensationsfund „Weißenburger Schatz“ mit bronzenen Götterfiguren, Votivtafeln und Paradeausrüstung zu sehen. Im Erdgeschoss informiert das Bayerische Limes-Informationszentrum über das Welterbe. Alle Ausstellungsbereiche sind mit dem Aufzug erreichbar, die Führungen sind barrierefrei.

Nur zwei Jahre vor dem spektakulären Schatzfund von Weißenburg entdeckten Bauarbeiter am Stadtrand römische Thermen. Über rollstuhlgerechte Stege können sie von oben betrachtet werden. Ein Film zeigt, wie die Thermen einst ausgesehen haben könnten. Was die Badegäste beschäftigte, erzählt „Livia“, die Frau des Thermenpächters, bei der barrierefreien Führung „Badegeflüster“.

Im barrierefreien Limeseum in Ruffenhofen begleitet der „römische Reitersoldat December“ die Besucher durch die Ausstellung. In Exponaten, Hör- und Videobeiträgen erzählt er von seinem Leben im Kastell. Daneben lädt der Römerpark, dessen Wege auch mit dem Rollstuhl befahrbar sind, zu einem Rundgang ein: Der archäologische Park, an dessen Stelle einst ein Reiterkastell stand, zeigt das Modell eines Kastells sowie ein römisches Haus mit Garten.

Im Nordwesten Deutschlands, in Ostfriesland, haben Ebbe und Flut über Jahrtausende eine der fruchtbarsten Naturlandschaften der Erde geformt: das Wattenmeer. Mehr als zehntausend Tier- und Pflanzenarten, darunter Seehunde, Miesmuscheln und Wattwürmer, sind hier zu Hause. Zehn Millionen Zugvögel machen hier im Frühjahr und Herbst Rast, angelockt vom reichen Nahrungsangebot. Seit 2009 gehört dieser einzigartige Lebensraum zum UNESCO-Weltnaturerbe.

Der Sommer ist die beste Zeit, um das Weltnaturerbe in Niedersachsen auf barrierefreien Wattwanderungen zu erkunden. Bei Ebbe nehmen Nationalparkführer Interessierte mit ins Watt, um Wattwürmer und Sandkrabben aufzuspüren. Dank eines Wattmobils mit breiten Ballonreifen können auch Menschen mit Mobilitätseinschränkungen teilnehmen. Sowohl auf dem Festland als auch auf den Ostfriesischen Inseln werden barrierefreie Führungen angeboten. Ein Tipp sind die WWF-Birdwatching-Erlebnistouren mit Joke Pouliart vom Wattwanderzentrum Ostfriesland in Carolinensiel-Harlesiel. Die Nationalparkführerin stellt sich individuell auf die Bedürfnisse der Teilnehmer ein.

Wissenswertes über das Weltnaturerbe vermitteln auch die 14 von Reisen für Alle ausgezeichneten Nationalpark-Häuser. Ein Highlight ist das Nationalpark-Haus mit Seehundstation in Norden-Norddeich. Hier werden verwaiste Seehunde aufgepäppelt und auf ihre Rückkehr ins Meer vorbereitet.